Intonation, Reiner Janke
Auszug aus der Festschrift zur Weihe der Orgel in der ev. Auferstehungskirche Fürth, erbaut von Freiburger Orgelbau Hartwig Späth 1989, III/40

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Der Intonateur zu seiner Arbeit

1. Einführung in die Intonation

Die klangliche Gestaltung der Orgelpfeifen bezeichnet man als Intonation. Dabei wird der Bereich des Labiums, (Gesicht der Pfeife) mit Spezialwerkzeugen bearbeitet, um die Pfeife in Klangfarbe und Lautstärke zu beeinflussen und ihr einen sauberen und sonoren Ton abzugewinnen. Außerdem müssen alle Register (Pfeifenreihen einer Bauform) in sich, wie auch zueinander, in Klangcharakter und Lautstärke ausgeglichen werden. Dabei bezieht der Intonateur den Stil der Orgel und die Raumakustik in seine Arbeit ein. Neben der Intonation wird der Klang einer Orgel noch durch die Disposition (Zusammenstellung der Register) und die Mensur (Verhältnisse von Durchmesser und Labienbreite zur Länge) wesentlich bestimmt. Die Intonation hat jedoch den größten Einfluß auf den Klang.

2. Intonationsstile

In der Orgelbaugeschichte kommen schwerpunktmäßig drei Intonationsarten vor.

a) Barocke Intonation.
Hierbei wird angestrebt, die Pfeife frei und natürlich sprechen zu lassen. Um kompositorische Figuren klar darstellen zu können, ist die Ansprache bzw. Artikulation der Pfeife deutlich, lebendig und schnell. Man sucht den Punkt der größtmöglichen Resonanz. Jeder Ton behält sein Eigenleben, ohne die Charakteristik des Registers zu verlassen. Intonationshilfen wie Kernstiche oder Bärte werden nur in begrenztem Umfang eingesetzt, um die Ansprache zu verbessern und Nebengeräusche zu reduzieren. Dadurch bleibt der Obertonreichtum der Pfeife erhalten.

b) Romantische Intonation.
Sie ist eine Fortentwicklung der barocken Intonation. Ziel ist, der Pfeife einen statischen, kräftigen, künstlich gestalteten Ton zu geben, um homogene und nuanciert abgestufte Register zu erhalten, mit denen man große kompositorische Linien und Klangflächen darstellen kann. Intonationshilfen werden in erheblichem Umfang, jedoch sehr differenziert, zur Tongestaltung eingesetzt. Dadurch ist die Ansprache der Pfeife nicht mehr so deutlich und artikuliert, ihr Obertonreichtum nimmt ab, und die Klangcharakteristik der einzelnen Register wirkt sehr homogen.

c) Neobarocke Intonation.
Diese Intonationsweise ist aus der sogenannten "Orgelbewegung" hervorgegangen. Dabei wird ein obertonreicher und scharfer Ton mit nur wenigen oder gar keinen Intonationshilfen, wie z.B den Kernstichen, angestrebt, um ein durchsichtiges Klangbild für polyphone Musik zu erhalten. Da andere Intonationsmittel als in der Barockzeit eingesetzt werden, ist die Ansprache oder Artikulation der Pfeifen undeutlich und mit starker Obertonentwicklung verbunden. Auch wird nicht der Punkt der größtmöglichen Resonanz erreicht. Ebenso verhindern diese Intonationsmittel eine Klangverschmelzung der verschiedenartigen Registergruppen, wie es für die Klänge romantischer Musik nötig ist.

3. Intonationsmittel

Um den Klang einer Pfeife zu beeinflussen gibt es neben den verschiedenen Bauformen eine Fülle von Möglichkeiten, die man als Intonationsmittel bezeichnen kann. Dazu gehören: Expressionen, Stimmschlitze, Bärte, Aufschnitthöhen, Kernspaltenweite und deren Beschaffenheit, Kernfase und Gegenfase, Form und Stellung von Ober-und Unterlabium, Form und Anzahl von Kernstichen und die Größe des Fußloches.
Die Legierung und Bearbeitung der Metallpfeifen wirkt sich weitaus weniger auf den Klang aus als allgemein angenommen wird. Auch das Alter einer Pfeife hat keinen Einfluß auf ihren Klang. Wenn alte Pfeifen schöner klingen als neue, so liegt das an ihrer Intonation.
Die Intonationsmittel haben sich im Laufe der Orgelbaugeschichte über Jahrhunderte weiterentwickelt und finden in ihrer Vielfalt und dem differenzierten Gebrauch einen Höhepunkt zur Zeit der Romantik. Da die "Orgelbewegung" sich von dieser Zeit und ihrem Klangideal abwandte und der Orgelbau durch den II. Weltkrieg unterbrochen wurde, gingen die Erfahrungen einer langen Tradition verloren. Die neuentstandenen Intonationsmittel haben in entscheidenden Bereichen (Gebrauch der Kernspalte zur Intonation, Mittel zur "künstlichen Alterung" der Pfeifen und dem zaghaften Einsatz von Kernstichen) keine Gemeinsamkeit mit der alten Tradition.
Um die "alten Intonationstechniken" wieder zu erlernen, ist es nötig, autentische alte Peifen, Mensuren und Aufschnittverhältnisse zu studieren und analysieren. Nur so ist es möglich, die Epoche und Intonationsweise alter Meister zu verstehen und in die eigene Arbeit einfließen zu lassen. Aus dieser Erfahrung heraus kann man dann auch neue Orgeln stilgerecht intonieren.

4. Die akustischen Besonderheiten der Auferstehungskirche in Fürth

Die Akustik der Auferstehungskirche ist durch die vielen, z.T. auch tiefen Emporen, geprägt. Kirchen mit einer guten Akustik weisen im Bereich von 150-2000 Hz einen besonders intensiven Nachhall auf, der dem Klang Fülle und Tragfähigkeit gibt. Der Nachhall in der Auferstehungskirche ist dagegen relativ kurz und ausgeglichen bzw. linear.
Diese Bedingungen muß man bei der Mensurierung und besonders bei der Intonation berücksichtigen. Das Fehlen eines intensiveren Nachhalls muß durch eine grundtönige und kultivierte Intonation ausgeglichen werden, um Fülle und Tragfähigkeit zu erhalten.

5. Die Intonation der Orgel in der Auferstehungskirche

Die Intonation dieser Orgel vereint die zwei Epochen des Spätbarocks bzw. der französischen Klassik (um 1750) und der Romantik (um 1850) in einem Instrument. Dies ist möglich, weil "alte Intonationstechniken" zur Intonation benutzt wurden, und so ein stufenloser Übergang von einem zum anderen Stil möglich ist. Das klangliche Konzept gliedert sich in drei Teile.
Das Positiv verkörpert den rein klassischen Teil mit einer sehr deutlichen und lebhaften Artikulation und einem etwas herben und hellen Klangcharakter. Typisch dafür sind die Register Prestant und die Cymbal.
Das Gegenstück dazu ist das romantische Rècit mit einer weichen Ansprache und seinem glatten, streichenden und voluminösen Klangcharakter. Typische Register dafür sind Flûte traversière und Prestant.
Die Grand Orgue muß mit den beiden anderen Werken korrespondieren. In ihr verbinden sich die beiden Epochen des Barocks und der Romantik. Deshalb wurde die Intonation im Grundstimmenbereich sehr glatt und weich gehalten und erst bei der Doublette und Fourniture mit einer lebendigeren Artikulation und einem größeren Obertonreichtum versehen. Typische Register dafür sind Prestant und Fourniture.

6. Die Stimmung der Orgel

Die Verteilung der Halbtonabstände bezeichnet man als Stimmung. Sie ist bei dieser Orgel leicht ungleich, um eine unterschiedliche Färbung der Tonarten für die Barockmusik zu erreichen, die bei der romantischen Musik nicht stört.

Ich wünsche der Gemeinde viel Freude am Klangreichtum dieses Instumentes.

Reiner Janke, Intonateur

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